Umsatzsteuerliche Organschaft

 

Einleitung

 

Betreibt ein Steuerpflichtiger ein Einzelunternehmer und eine Kapitalgesellschaft mit ähnlichem oder gleichem Unternehmensgegenstand, kann er sich dem Wunsch der Finanzverwaltung ausgesetzt sehen, eine umsatzsteuerliche Organschaft (§ 2 Absatz 2 Nr. 2 UStG) zwischen beiden Unternehmen festzustellen.

Dies ist insbesondere dann problematisch, wenn der Steuerpflichtige geplant hat, durch die Gründung einer Kapitalgesellschaft als Zweitunternehmen die Umsatzgrenze für die Anwendbarkeit der Kleinunternehmer-Regelung gemäß § 19 UStG weiterhin zu unterschreiten.

Ein weiteres Anwendungsfeld für die umsatzsteuerliche Organschaft ist die Betriebsaufspaltung, bei welcher ein Besitzunternehmen wesentliche Betriebsgrundlagen an eine von gleichen Personen beherrschte Kapitalgesellschaft verpachtet (EStH H 15.7 (4) „Allgemeines“). Dies betrifft insbesondere die Verpachtung von Immobilien (EStH H 15.7 (5) „Wesentliche Betriebsgrundlage“) oder eines ganzen Betriebs.

Dies ist zwar regelmäßig steuerlich unproblematisch, da in solchen Situationen typischerweise zwei Unternehmen mit Anwendung der umsatzsteuerlichen Regelbesteuerung existieren, führt aber zu einer persönlichen Haftung des Einzelunternehmers für die Umsatzsteuerschuld der Kapitalgesellschaft.

Nachfolgend soll erläutert werden, wann die Feststellung einer umsatzsteuerlichen Organschaft droht, welche Folgen diese hat und welcher Ausweg hieraus besteht.

 

Voraussetzungen für die Festsetzung einer umsatzsteuerlichen Organschaft

 

Voraussetzung für die Festsetzung einer umsatzsteuerlichen Organschaft ist, dass zugleich eine finanzielle, organisatorische und wirtschaftliche Eingliederung vorliegt (§ 2 Absatz 2 Nr. 2 Satz 1 UStG). Die umsatzsteuerliche Organschaft kann nur für Betriebe oder Betriebsstätten eines Steuerpflichtigen innerhalb Deutschlands bestehen (§ 2 Absatz 2 Nr. 2 Satz 2 UStG).

 

Finanzielle Eingliederung im Rahmen der umsatzsteuerlichen Organschaft

 

Finanzielle Eingliederung bedeutet grundsätzlich, dass der Einzelunternehmer mindestens 50,1 % des Stammkapitals an der Kapitalgesellschaft verfügt (UStAE 2.8 Absatz 5 Satz 2).

Durch besondere Umstände, wie z.B. der Übertragung von Stimmrechten zugunsten oder zulasten des Einzelunternehmers oder einer erforderlichen höheren Mehrheit bei der Beschlussfassung, kann eine finanzielle Eingliederung erst bei einem höheren bzw. schon bei einem niedrigeren Beteiligungsverhältnis erreicht werden (UStAE 2.8 Absatz 5 Satz 2).

 

Organisatorische Eingliederung im Rahmen der umsatzsteuerlichen Organschaft

 

Eine organisatorische Eingliederung liegt vor, wenn der Einzelunternehmer das Tagesgeschäft der Kapitalgesellschaft kontrollieren kann (UStAE 2.8 Absatz 7 Sätze 1 und 2). Dies wird erreicht, wenn der Einzelunternehmer auch Geschäftsführer der Kapitalgesellschaft ist (UStAE 2.8 Absatz 8 Sätze 1 und 2).

 

Wirtschaftliche Eingliederung im Rahmen der umsatzsteuerlichen Organschaft

 

Unter einer wirtschaftlichen Eingliederung wird verstanden, dass Organträger und -gesellschaft ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten in einem gewollten wirtschaftlichen Zusammenhang ausüben (UStAE 2.8 Absatz 6 Satz 1). Diese liegt z.B. vor, wenn zwischen Einzelunternehmen und Kapitalgesellschaft eine Betriebsaufspaltung besteht (UStAE 2.8 Absatz 6b) oder die Kapitalgesellschaft innerhalb des gleichen Geschäftsfelds einen anderen Teilmarkt bedient (UStAE 2.8 Absatz 6a Satz 3).

 

Die Personengesellschaft als Organgesellschaft im Rahmen der umsatzsteuerlichen Organschaft

 

Durch das grundsätzlich bestehende Einstimmigkeitsprinzips innerhalb einer GbR (§ 714 BGB), das Widerspruchsrechts jedes einzelnen OHG-Gesellschaft innerhalb der Geschäftsführung (§ 116 Absatz 3 Satz 3 HGB) und das Widerspruchsrechts des Kommanditisten bei außergewöhnlichen Geschäften (§ 116 Absatz 2 Satz 1, § 164 HGB) ist die Beherrschung einer Personengesellschaft durch nur eine natürliche Person typischerweise nicht möglich. Die Beteiligung eines Einzelunternehmers an einer Personengesellschaft führt daher nicht zu einer gemeinsamen umsatzsteuerlichen Organschaft.

Etwas anders gilt, wenn die Gesellschafter der Personengesellschaft nur aus dem Einzelunternehmer und einer von ihm kontrollierte Kapitalgesellschaften bestehen (UStAE 2.8 Absatz 5a Satz 1).

 

Folgen der Feststellung einer umsatzsteuerlichen Organschaft

 

Wird eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen Einzelunternehmen und Kapitalgesellschaft festgestellt, wird nur zu umsatzsteuerlichen Zwecken von einem einheitlichen Unternehmen ausgegangen (§ 2 Absatz 2 Nr. 2 UStG). Dadurch kann die Umsatzgrenze für die Anwendbarkeit der Kleinunternehmer-Regelung gemäß § 19 UStG überschritten werden.

Der Einzelunternehmer gibt aufgrund der umsatzsteuerlichen Organschaft gemeinsame Umsatzsteueranmeldungen ab und haftet dadurch persönlich für die Umsatzsteuerschuld der Kapitalgesellschaft.

Die Leistungsbeziehungen zwischen Einzelunternehmen und Kapitalgesellschaft unterliegen nicht der Umsatzsteuer und führen nicht zur Entstehung abzugsfähiger Vorsteuer.

Der Vorsteuerabzug beider Unternehmen erfolgt unter Berücksichtigung der Gesamtsituation des Unternehmens, wenn nicht beide ausschließlich Umsätze erzielen, die zum vollen Abzug berechtigen oder keinerlei Abzug zulassen.

Nutzt der Einzelunternehmer ein Fahrzeug der Kapitalgesellschaft für Pendel- oder Privatfahren, gelten hinsichtlich der Umsatzsteuerbesteuerung der Sachbezüge die umsatzsteuerlichen Regeln für Einzelunternehmer (Urteil des Finanzgerichts Münster vom 9.1.2020, Aktenzeichen 5 K 2420/19 U).

 

Der Ausweg aus der umsatzsteuerlichen Organschaft

 

Das Zweitunternehmen sollte zusammen mit mindestens einem Geschäftspartner betrieben werden, wenn die Feststellung einer umsatzsteuerlichen Organschaft unbedingt verhindert werden soll. Bei einer Kapitalgesellschaft als Zweitunternehmen darf die eigene Beteiligung im Regelfall nicht mehr als 50 % am Stammkapital ausmachen.

Alternativ könnte das alte Einzelunternehmen in eine weitere neu gegründete Kapitalgesellschaft zum Buchwert, gemeinen Wert (Verkehrswert) oder Zwischenwert eingebracht werden (§ 20 UmwStG), jedoch mit hier nicht beschriebenen weitreichenden ertragsteuerlichen Folgen. Nach derzeitiger Rechtsprechung wird zwischen Schwestern-Kapitalgesellschaften nämlich keine umsatzsteuerliche Organschaft begründet. 

 

 

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Rechtsstand: 20.02.2024

 

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