Einleitung
Die Abfindung, die ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber für den Verlust seines Arbeitsplatzes erhält, unterliegt in der Einkommensteuer häufig der ermäßigten Besteuerung gemäß § 34 Absatz 1 EstG, der sogenannten „Fünftel-Regelung“.
Je niedriger das übrige zu versteuernde Einkommen des betroffenen Arbeitnehmers im gleichen Kalenderjahr (= Veranlagungsjahr) ausfällt, desto höher fällt der einkommensteuerliche Vorteil der „Fünftel-Regelung“ gegenüber der regulären Besteuerung aus. Folglich kann es für den Betroffenen einkommensteuerlich sinnvoll sein, im Auszahlungsjahr weitere Einkünfte zu vermeiden und die Zahlung von Sonderausgaben vorzuverlegen.
Nachfolgend werden die Voraussetzungen für die ermäßigte Einkommensbesteuerung, deren Wirkungsweise im Detail und Handlungsmöglichkeiten des Arbeitnehmers zur Verstärkung dieser Wirkungsweise erläutert.
Voraussetzung für die ermäßigte Besteuerung der Abfindung
Voraussetzung für die ermäßigte Besteuerung nach § 34 Absatz 1 und Absatz 2 Nr. 4 EstG der Abfindung in der Einkommensteuer ist,
- dass die Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes statt für laufende Arbeit gezahlt worden ist,
- das Arbeitsverhältnis länger als 12 Monate angedauert hat und
- durch die Abfindung eine Zusammenballung von Einkünften im Auszahlungsjahr entsteht.
Eine Zusammenballung von Einkünften liegt vor, wenn infolge der Abfindung höhere Einkünfte erzielt worden sind als bei regulärer Weiterarbeit (Bundesfinanzhof, Urteil vom 04.03.1998, Aktenzeichen: XI R 46/97). Bei der Ermittlung, ob eine Zusammenballung von Einkünften vorliegt, können auch weitere Einnahmen wie das bezogene Arbeitslosengeld I mitgerechnet werden (LStH, Anhang 15, Rundziffer 11, Beispiele 2 bis 4.)
Wirkungsweise der „Fünftel-Regelung“
Der Einkommensteuertarif ist progressiv ausgestaltet. Jeder weitere Euro zu versteuerndes Einkommen oberhalb des Grundfreibetrags von 11.604 € wird bis zum Erreichen eines Steuersatzes von 45 % höher belastet (§ 32a Absatz 1 EStG).
§ 34 Absatz 1 Satz 2 EstG führt zu einem Progressionsvorteil für den Steuerpflichtigen: Es wird die zusätzliche Einkommensteuerschuld ermittelt, wenn das übrige zu versteuernde Einkommen um ein Fünftel der Abfindung erhöht wird. Die Abfindung wird mit dem Fünffachen dieses Differenzbetrags besteuert.
Somit kann ein Einzelveranlagter ohne weiteres zu versteuerndes Einkommen bis zu 5 Grundfreibeträge an Abfindung einkommensteuerfrei vereinnahmen. Bei zusammenveranlagten Ehepaaren ohne weiteres zu versteuerndes Einkommen sind das aufgrund § 32a Absatz 5 EstG bis zu 10 Grundfreibeträge an Abfindung, die einkommensteuerfrei vereinnahmt werden können.
Gehen wir davon aus, dass ein einzelveranlagter und nicht kirchensteuerpflichtiger Steuerpflichtiger eine Abfindung von 50.000 € erhält, die sein ehemaliges Jahresgehalt übersteigt und daher ermäßigt besteuert wird. Seine Einkommensteuerschuld (für 2024) wächst stark mit seinem sonstigen zu versteuernden Einkommen an:
Beträgt sein übriges zu versteuerndes Einkommen 0 €, beträgt die Einkommensteuerlast 0 €.
Beträgt sein übriges zu versteuerndes Einkommen 10.000 €, beträgt die Einkommensteuerlast 8.795 €.
Beträgt sein übriges zu versteuerndes Einkommen 20.000 €, beträgt die Einkommensteuerlast 15.194 €.
Beträgt sein übriges zu versteuerndes Einkommen 30.000 €, beträgt die Einkommensteuerlast 19.876,76 €.
Beträgt sein übriges zu versteuerndes Einkommen 40.000 €, beträgt die Einkommensteuerlast 25.313,98 €.
Beträgt sein übriges zu versteuerndes Einkommen 50.000 €, beträgt die Einkommensteuerlast 31.161,87 €.
Somit kann es für den Steuerpflichtigen wenig wirtschaftlich sein, im gleichen Kalenderjahr weiteres zu versteuerndes Einkommen zu erzielen.
Lohnsteuerabzug von der Abfindung
Die Abfindung unterliegt bei Zufluss beim Arbeitnehmer der Lohnsteuer (§ 38a Absatz 1 Satz 3 EStG), welche vom Arbeitgeber bei der Gehaltsabrechnung einbehalten und an das Finanzamt abgeführt wird (§ 38 Absatz 1 Satz 1 EstG, § 41a Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 EStG).
Erhalt der Abfindung bis zum 31.12.2024:
Der Arbeitgeber kann bei der Lohnsteuer die ermäßigte Besteuerung anwenden (§ 39b Absatz 3 Satz 9 EStG).
Dabei ist der voraussichtliche Jahresarbeitslohn des Arbeitnehmers zugrunde zu legen, der sich durch Angaben des Arbeitnehmers oder hilfsweise durch Hochrechnung des bisherigen Gehalts auf das ganze Jahr ergibt (R 39b.6 Absatz 3 Sätze 2 und 3 LStR).
Es kam in der Vergangenheit regelmäßig zu Fehleinschätzungen des jeweils betroffenen Lohnbuchhalters, sodass das der betroffene Arbeitnehmer bei der nachfolgenden Einkommensteuerveranlagung entweder viel zurückbekam oder viel nachzahlen musste.
Erhalt der Abfindung ab dem 01.01.2025:
Der Arbeitgeber muss die Abfindung wie regulären Arbeitslohn der Lohnsteuer unterwerfen, da § 39b Absatz 3 Satz 9 EstG weggefallen ist.
Behandlung der Abfindung bei der Einkommensteuerveranlagung
Bis zum Veranlagungsjahr 2024:
Der Arbeitnehmer ist wegen Bezug einer ermäßigt besteuerten Abfindung zur Abgabe einer Einkommensteuerveranlagung verpflichtet (§ 46 Absatz 2 Nr. 5 EStG).
Die Abfindung unterliegt bei Zufluss beim Arbeitnehmer der Einkommensteuer (§ 38a Absatz 1 Satz 3 EStG).
Die ermäßigte Besteuerung wird bei Ermittlung der Einkommensteuerschuld angewandt (§ 34 Absatz 1 und Absatz 2 Nr. 4 EStG).
Die gezahlte Lohnsteuer wird bei der Einkommensteuerveranlagung auf die endgültige Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers angerechnet (§ 36 Absatz 2 Nr. 2 a) EStG).
Ab dem Veranlagungsjahr 2025:
Die Abfindung unterliegt weiterhin bei Zufluss beim Arbeitnehmer der Einkommensteuer (§ 38a Absatz 1 Satz 3 EStG).
Die ermäßigte Besteuerung wird bei Ermittlung der Einkommensteuerschuld weiterhin angewandt (§ 34 Absatz 1 und Absatz 2 Nr. 4 EStG).
Die gezahlte Lohnsteuer wird bei der Einkommensteuerveranlagung auf die endgültige Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers angerechnet (§ 36 Absatz 2 Nr. 2 a) EStG).
Möglichkeiten zur Senkung Ihrer Einkommensteuerlast
Nehmen wir an, Sie sollen von Ihrem Arbeitgeber eine Abfindung erhalten, die der ermäßigten Besteuerung unterliegt. Dann könnten folgende Maßnahmen für Sie einkommensteuerlich vorteilhaft sein:
- Sofern Sie nach Erhalt der Abfindung in den Ruhestand treten wollen, kann die Verschiebung einer Auszahlung in das einkommensschwache oder -lose Folgejahr sinnvoll sein. Dies setzt natürlich voraus, dass Ihr Arbeitgeber auch dann weiterhin zahlungsfähig und greifbar sein wird.
- Sofern Sie auch noch Vermieter sind, könnten Sie erforderliche Erhaltungsaufwendungen für die vermieteten Objekte im Kalenderjahr der Auszahlung der Abfindung tätigen.
- Sie könnten für Ihre private Kranken- und Pflegebasisversicherung eine Beitragsvorauszahlung für kommende Jahre leisten. Diese Vorauszahlung darf aber höchstens das Zweifache des aktuellen Jahresbeitrags ausmachen, da Ihre gezahlten Beiträge ansonsten dem jeweiligen Bestimmungsjahr steuerlich zugerechnet werden (§ 10 Absatz 1 Nr. 3 Sätze 1 und 5 EStG).
- Sie könnten zusätzliche Beiträge für eine gesetzliche, berufsständige oder private Basis-Rentenversicherung zahlen. Jedoch werden nur gezahlte Beiträge in Gesamthöhe von 27.566 € (Einzelveranlagte) bzw. 55.132 € (zusammenveranlagte Ehepaare) pro Kalenderjahr einkommensteuerlich berücksichtigt, wobei sich die Abzugsmöglichkeiten durch Arbeitgeberbeiträge entsprechend vermindern (§ 10 Absatz 3 Sätze 1, 2, 3 und 6 EStG). Jedoch ist aufgrund des demographischen Wandels und der in den letzten Jahren deutlich merkbaren Inflation die Rentabilität dieser Versicherungen kritisch zu hinterfragen.
Die genannten Vorschläge sollten von Ihnen nur nach Simulation Ihrer Steuerbelastung durch eine fachkundige Person umgesetzt werden.
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Rechtsstand: 04.01.2025
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