Einleitung
Vor allem Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten und Psychotherapeuten benötigen einen Vertragsarztsitz (umgangssprachlich Kassenzulassung), um mit den gesetzlichen Krankenversicherungen Leistungen für deren Mitglieder abrechnen zu können. Die gesetzlichen Krankenversicherungen vergeben aber nur eine begrenzte Zahl von Vertragsarztsitzen.
In der Regel kann ein Praxisgründer daher nur durch Kauf von einem Berufskollegen, der (schrittweise) in den Ruhestand treten will, an einen Vertragsarztsitz gelangen. Ein Teil der Praxiskäufe bestehen deshalb nur noch aus der Übernahme des halben oder des vollen Vertragsarztsitzes des Verkäufers.
Dieser Blogartikel soll aufzeigen, wie der Käufer den Kaufpreis für die Praxis steuerlich abschreiben kann.
Aufteilung des Kaufpreises für eine Praxis
Der Kaufpreis für eine Praxis wird in der Regel für folgende Bestandteile gezahlt:
- Für die bestehende Praxiseinrichtung. Diese besteht aus einer Vielzahl von abnutzbaren beweglichen Anlagegütern, deren Anschaffungskosten jeweils über ihre voraussichtliche Restnutzungsdauer abgeschrieben werden müssen (§ 7 Absatz 1 Sätze 1 und 2 EStG). Anschaffungskosten für selbständig nutzbare bewegliche Anlagegüter bis zu 800 € können sofort abgeschrieben werden (§ 6 Absatz 2 EStG). Daher sollte eine Inventarliste mit Wertangaben Teil des Kaufvertrages sein.
- Für den bestehenden Praxiswert aufgrund des bereits eingerichteten Praxisbetriebs und des vorhandenen Patientenstamms. Der Vertragsarztsitz für die Praxis ist gegebenenfalls ein untrennbarer Teil dieses „Chancenpakets“ (BFH-Urteil vom 21.02.2017, Aktenzeichen VIII R 7/14). Der erworbene Praxiswert stellt ein abnutzbares immaterielles Anlagegut dar, dessen Anschaffungskosten über die voraussichtliche Nutzungsdauer abzuschreiben sind (BMF-Schreiben vom 15.01.1995 – IV B 2 – S 2172 – 15/94 BStBl 1995 I S. 14).
Steuerliche Abschreibung des erworbenen Praxiswerts
Praxen werden üblicherweise als freiberufliches Einzelunternehmen oder Personengesellschaft -häufig GbR, selten PartG oder PartG mbB – betrieben, da unter anderem Ärzte, Zahnärzte, Physiotherapeuten und Psychotherapeuten als Freiberufler gelten (§ 18 Absatz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG).
Der Käufer kann die Anschaffungskosten für den erworbenen Praxiswert über die voraussichtliche Nutzungsdauer von 3 bis 5 Jahren (BMF-Schreiben vom 15.01.1995 – IV B 2 – S 2172 – 15/94 BStBl 1995 I S. 14) linear und monatsgenau abschreiben (§ 7 Absatz 1 Sätze 1, 2 und 4 EStG).
Steigt der Käufer in eine bestehende Personengesellschaft ein, verdoppelt sich die Abschreibungsdauer auf 6 bis 10 Jahre (BMF-Schreiben vom 15.01.1995 – IV B 2 – S 2172 – 15/94 BStBl 1995 I S. 14).
Zum Vergleich: Der erworbene Geschäftswert von gewerblichen Einzelunternehmen und Personengesellschaften muss über 15 Jahre abgeschrieben werden (§ 7 Absatz 1 Satz 3 EStG).
Steuerliche Abschreibung bei ausschließlichem Erwerb eines Vertragsarztsitzes
Insbesondere bei Psychotherapeuten kommt es vor, dass vom Käufer ein (halber) Vertragsarztsitz, aber kein Praxisbetrieb und kein Patientenstamm erworben werden.
Wird vom Käufer ausschließlich ein Vertragsarztsitz erworben, liegt ein nicht abnutzbares immateriellen Anlagegut vor (Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 28.09.2004 – 13 K 412/01 EFG 2005 S. 420), für das folglich keine planmäßigen steuerlichen Abschreibungen vorgenommen werden können.
Bei voraussichtlich dauerhafter Wertminderung des Vertragsarztsitzes wäre eine außerplanmäßige (Teil-)Abschreibung optional möglich (§ 6 Absatz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG).
Ansonsten können die Anschaffungskosten für den Vertragsarztsitz erst im Veräußerungs- oder Aufgabeergebnis berücksichtigt werden. Dies kann dazu führen, dass ein Praxiserwerber einen fünf- oder sechsstelligen Betrag aufwenden muss, aber diesen erst etwa 30 Jahre später einkommensteuerlich berücksichtigen lassen kann.
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