§ 19 UStG – Umsatzbesteuerung von Kleinunternehmern

 

Einleitung

 

Der Gesetzgeber ermöglicht Unternehmen mit geringem Jahresumsatz, aus verwaltungsökonomischen Gründen gleichzeitig auf die Erhebung von Umsatzsteuer auf eigene Entgelte (§ 19 Absatz 1 Satz 1 UStG) und die Erstattung von Vorsteuer (§ 19 Absatz 1 Satz 4 UStG) zu verzichten.

Der Kleinunternehmer (i. S. d. § 19 UStG) muss jedoch in bestimmten Fällen Umsatzsteuer anmelden und entrichten, z.B. bei Übernahme der Umsatzsteuerschuld für den leistenden Unternehmer (§ 13b Absatz 8 UStG). Häufiger Fall in der Praxis ist der Download von Software oder der Bezug von Werbeleistungen von einem ausländischen Dienstleister (§ 13b Absatz 1 UStG).

Nachfolgend sollen die Voraussetzungen für die Anwendung der Kleinunternehmer-Regelung ab der Gründung, die Folgen des Verzichts darauf, die Vor- und Nachteile der Anwendung, die Möglichkeiten zur Anwendung unterschiedlicher Besteuerungsarten bei Betrieb von zwei Unternehmen sowie die Voraussetzungen für den späteren Wechsel der Besteuerungsart aufgezeigt werden.

 

Voraussetzungen für die Anwendung der Kleinunternehmer-Regelung

 

Damit die Kleinunternehmer-Regelung im Gründungsjahr anwendbar ist, darf der voraussichtliche vereinnahmte Jahresumsatz nicht 22.000 € übersteigen (§ 19 Absatz 1 Satz 1 UStG, UStAE 19.1 Absatz 4 Satz 3). Maßgeblich ist die Umsatzerwartung am Gründungstag (UStAE 19.1 Absatz 3 Satz 3 und Absatz 4 Satz 1).

Wird die unternehmerische Tätigkeit nicht im Januar aufgenommen, ist der tatsächliche Umsatz auf einen fiktiven Jahreswert hochzurechnen (§ 19 Absatz 3 Satz 3 UStG). Bei Aufnahme im Februar wäre der Umsatzsteuer mit Faktor 12/11 hochzurechnen (§ 19 Absatz 3 Satz 4 UStG).

Ab dem zweiten Geschäftsjahr ist für die Prüfung der Anwendbarkeit der Kleinunternehmer-Regelung der Vorjahresumsatz (höchstens 22.000 €) und die Umsatzerwartung für das laufende Jahr (höchstens 50.000 €) zu berücksichtigen (§ 19 Absatz 1 Satz 1 UStG). Maßgeblich ist die Umsatzerwartung am 1. Januar (UStAE 19.1 Absatz 3 Satz 3). 

Bei nicht ganzjähriger unternehmerischer Tätigkeit ist der Vorjahresumsatz bzw. der voraussichtliche Jahresumsatz auf einen fiktiven Jahreswert hochzurechnen (§ 19 Absatz 3 Satz 3 UStG).

Bei der Prüfung auf Einhaltung der Umsatzgrenze sind jedoch bestimmte Umsätze nicht mitzuzählen (§ 19 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 3 Satz 1 UStG):

  • Umsätze, die in Deutschland nicht umsatzsteuerbar sind.
  • Umsätze, die durch den Verkauf von eigenen Anlagevermögen entstehen, z.B. gebrauchte Fahrzeuge oder Einrichtungsgegenstände.
  • Umsätze, die nach § 4 Nr. 8 Buchstabe i, Nr. 9 Buchstabe b und Nummer 11 bis 29 UStG umsatzsteuerfrei sind.
  • Umsätze, die nach § 4 Nr. 8 Buchstabe a bis h, Nr. 9 Buchstabe a und Nr. 10 UStG umsatzsteuerfrei sind, wenn sie Hilfsumsätze sind.

 

Freiwilliger Verzicht auf Anwendung der Kleinunternehmer-Regelung

 

Der Steuerpflichtige kann bis einschließlich Veranlagungsjahr 2023 die Anwendung der Kleinunternehmer-Regelung bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung freiwillig ausschlagen (§ 19 Absatz 2 Satz 1 UStG a.F.). Die „Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung“ tritt einen Monat nach Übermittlung der Umsatzsteuer-Jahreserklärung an das Finanzamt ein.

Der Steuerpflichtige kann ab Veranlagungsjahr 2024 die Anwendung der Kleinunternehmer-Regelung bis zum Ablauf des zweiten Folgejahres (formlos schriftlich) freiwillig ausschlagen (§ 19 Absatz 2 Satz 1 UStG n.F.). Somit kann die Anwendung der Kleinunternehmer-Regelung für 2024 noch bis zum 31.12.2026 ausgeschlagen werden.

Schlägt der Steuerpflichtige die Möglichkeit zur Anwendung der Kleinunternehmer-Regelung aus, bleibt er für mindestens 5 Veranlagungsjahre an der umsatzsteuerlichen Regelbesteuerung gebunden (§ 19 Absatz 2 Satz 2 UStG).

Das gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige die Steuernummer wechselt, den Unternehmensgegenstand ändert oder vorübergehend nicht mehr unternehmerisch tätig wird!

 

Vorteilhaftigkeit der Kleinunternehmer-Regelung nur in bestimmten Fällen

 

Die Kleinunternehmer-Regelung ist tendenziell von Vorteil:

  • Wenn die Kunden des leistenden Unternehmers hauptsächlich aus Endverbrauchern bestehen.
  • Wenn beim leistenden Unternehmer kaum Betriebsausgaben mit darin enthaltener Vorsteuer anfallen.

Die Regelbesteuerung ist tendenziell von Vorteil:

  • Wenn die Kunden hauptsächlich aus Unternehmern mit Anspruch auf Vorsteuererstattung gegenüber dem Finanzamt bestehen.
  • Wenn (in Relation zum Umsatz) hohe Betriebsausgaben mit darin enthaltener Vorsteuer getätigt werden, insbesondere bei Anwendbarkeit eines Umsatzsteuersatzes von nur 7 %.
  • Wenn die eigenen Leistungen nicht umsatzsteuerbar oder umsatzsteuerbefreit sind, aber trotz dessen zum Vorsteuerabzug berechtigen.

 

Handlungsmöglichkeiten bei gleichzeitigem Betrieb von zwei Unternehmen

 

Das Umsatzsteuergesetz fasst alle selbständigen Tätigkeiten eines Steuerpflichtigen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen zu einem fiktiven Unternehmen zusammen (§ 2 Absatz 1 UStG).

Solche Tätigkeiten sind z.B. der Betrieb eines Einzelunternehmens oder die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken, beweglichen Gegenständen oder Rechten.

Betreibt der Steuerpflichtige gleichzeitig zwei Einzelunternehmen, wird bei Prüfung auf Anwendbarkeit der Kleinunternehmer-Regelung der Gesamtumsatz herangezogen.

Besteht trotz dessen eine Wahlmöglichkeit hinsichtlich der Anwendbarkeit der Kleinunternehmer-Regelung, ist diese einheitlich für beide Unternehmen auszuüben. Es ist nicht zulässig, für ein Unternehmen die Kleinunternehmer-Regelung anzuwenden und für das andere Unternehmen die Regelbesteuerung.

Um für beide Unternehmen eine unterschiedliche Wahl treffen zu können, müsste der Steuerpflichtige das neue Unternehmen als Kapitalgesellschaft (ohne umsatzsteuerliche Organschaft i. S. d. § 2 Absatz 2 UStG mit dem verbleibenden Einzelunternehmen) gründen oder stattdessen zusammen mit jemand anderes eine Personengesellschaft betreiben.

 

Wechsel der Besteuerungsform

 

Bei einem Wechsel von der Kleinunternehmer-Regelung zur umsatzsteuerlichen Regelbesteuerung zum 1.1.2024 müssen die in 2023 erbrachten Leistungen auch noch in 2024 ohne Umsatzsteuer abgerechnet und vereinnahmt werden (UStAE 19.5 Absatz 1).

Bei einem Wechsel von der umsatzsteuerlichen Regelbesteuerung zur Kleinunternehmer-Regelung zum 1.1.2024 müssen die in 2023 erbrachten Leistungen auch noch in 2024 mit Umsatzsteuer abgerechnet und vereinnahmt werden (UStAE 19.5 Absatz 6 Satz 1).

Bei einem Wechsel von der umsatzsteuerlichen Regelbesteuerung zur Kleinunternehmer-Regelung darf der vereinnahmte Bruttoumsatz im letzten Geschäftsjahr der umsatzsteuerlichen Regelbesteuerung nicht 22.000 € überschreiten (§ 19 Absatz 1 Satz 1 UStG). Bei 19 % Umsatzsteuer verbleibt daher ein zulässiger Nettoumsatz von 18.487,39 €.

 

Weitere Hinweise

 

Die Befreiung von der Umsatzsteuererhebung gemäß § 19 UStG führt NICHT zu einer gleichzeitigen einkommen-, gewerbe- oder körperschaftsteuerlichen Steuerbefreiung.

Umgekehrt führt ein Verzicht auf die Kleinunternehmer-Regelung NICHT dazu, dass die Einkommensteuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 72 EStG für die Solarkleinanlage aufgehoben wird.

 

 

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Rechtsstand: 04.09.2024

 

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